Ein Abend im Kulturcafé Windrose zeigte, wie wichtig gemeinsames Engagement für unsere demokratischen Werte ist
Am vergangenen Mittwoch verwandelte sich unser Kulturcafé Windrose in einen Ort lebhafter Demokratie. Im Format "Studio Orschel" trafen sich zahlreiche Mitglieder des "Bündnisses für Demokratie und Menschenwürde in Oberursel", um über die Zukunft unseres gemeinsamen Engagements zu sprechen. Die von Dirk Müller-Kästner (Kunstgriff) und Michael Behrent (Windrose) organisierte Veranstaltung "Zeitenwende ohne Ende?" brachte Vertreter aus Politik, Vereinen und Zivilgesellschaft nach einem intensiven Wahlkampf wieder an einen Tisch.
Die Windrose inmitten des Bündnisses
Michael Behrent erläuterte im Gespräch ausführlich, warum die Windrose ein solches Bündnis braucht. Als Organisation, die mit Geflüchteten arbeitet, „sieht die Windrose immer den einzelnen Menschen – und sind sozusagen die Betriebsräte der Betroffenen", erklärte Behrent. Die Erfahrungen aus unserer täglichen Arbeit zeigen: Die politischen Leistungen der Integrationspolitik der vergangenen Jahre reichen oft nicht aus.
"Wir finden die Leistungen, die in den letzten Jahren gebracht wurden, wirklich schlecht", so Behrent offen. "Und ein wesentlicher Teil der Motivation der Ehrenamtlichen, und davon gibt es ja einige bei uns, ist, dass sie das Gefühl haben, wir müssen das reparieren." In der Windrose versucht man, pragmatisch zu arbeiten: von der Schülerhilfe über Sprachkurse bis hin zu öffentlichkeitswirksamen Aktionen.
Für diese Arbeit ist die Unterstützung aller demokratischen Parteien unverzichtbar: "In dem Moment, da der Verein anfangen würde, unser Thema sozusagen zu politisieren, hat er verloren." Behrent sprach offen über die inhaltlichen Differenzen, die die Windrose mit allen Parteien hat. Kein parteipolitisches Programm bilde angemessen ab, was die Windrose in der Praxis als notwendig erachtet und erfährt. Dennoch versteht die Windrose als erwachsene Organisation, "dass nicht alles perfekt sein kann, also reparieren wir."
Was ist der "Bündnisfall"?
Die zentrale Frage des Abends lautete: "Was ist für uns eigentlich der Bündnisfall? Wann haben wir einen Grund, einen Anlass, gemeinsam aufzutreten?"
Elenor Pospiech (SPD) gab eine klare Antwort: "Das Bündnis wendet sich gegen jede Form von Gewalt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Wenn so ein Fall in Oberursel auftritt, dann ist es für mich ein Bündnisfall." Sie nannte konkrete Beispiele wie zugeklebte Türen bei engagierten Menschen, beschädigte Autos oder extremistische Aufkleber in der Innenstadt. Besonders wichtig war ihr auch die positive Perspektive – für etwas zu sein, statt nur von „gegen“ zu sprechen: „Wir sind für die Werte, für die auch die Bundesrepublik steht und für die wir hier in Oberursel auch Politik machen.“ Sie erinnerte daran, dass das gemeinsame Ehrenamt alle verbinde, unabhängig davon, ob es aus sozialer oder christlicher Demokratie heraus motiviert sei.
Martin Bollinger (CDU) ergänzte, dass der Bündnisfall aus seiner Sicht nicht an einzelnen Terminen oder Veranstaltungen festgemacht werden müsse: „Ich glaube, der Bündnisfall ist eigentlich jeden Tag. Es ist eine Bewegung, eine Gemeinschaft von der demokratischen Mitte, der Zivilgesellschaft in Oberursel.“. Er beschrieb das Bündnis als klares Zeichen gegen Rassismus, Menschenfeindlichkeit und Diskriminierung sowie gegen eine Art der politischen Auseinandersetzung, die auf Einschüchterung und Sachbeschädigung setze.“
Susanne Herz (Bündnis 90/ Die Grünen) kam als weitere Parteivertreterin aus dem Bündnis als nächste zu Wort. Sie brachte eine differenzierte Perspektive ein: „In Oberursel war der Wahlkampf eigentlich wie immer.“ – und sie wies im Weiteren darauf hin, dass die Grünen mit bestimmten Herausforderungen bereits Erfahrung hätten: „Wir sind einiges gewöhnt. Verklebte Türschlösser, Plakate, die verschwinden, verunglimpft werden oder so.“ Herz unterstrich die Besonderheit des Oberurseler Bündnisses im Vergleich zum Frankfurter Römerberg-Bündnis: „'In Frankfurt hat man gesagt, damals in den 70er oder 80ern, wir machen das ohne die Parteien.“
Vielfältige Stimmen der Zivilgesellschaft
Besonders eindrucksvoll waren auch die Berichte aus der Zivilgesellschaft:
Die "Omas gegen Rechts Taunus" berichteten von belastenden Situationen bei Straßenaktionen, wo sie verbal angegangen wurden und manchmal die Polizei rufen mussten. Petra Lütjens erklärte: "Die Omas bekommen sehr stark mit, dass es Bürgerinnen gibt in Oberursel, die doch recht rechtsextrem sind." Besonders bedrückend: eine weinende Frau mit Migrationshintergrund, die von einem Passanten extrem beleidigt wurde.
Der Weltladen Oberursel erinnerte an die Buttersäure-Attacke auf ihren Laden, nachdem sie sich im Rahmen ihrer Bildungsarbeit gegen die AfD positioniert hatten. Peter Matthäy berichtete: "Das hat uns massiv zugesetzt. Das war für uns der Bündnisfall. Wir haben uns da geschützt gefühlt." Seine Kollegin ergänzte, dass der Oberurseler Weltladen mit solchen Erfahrungen nicht alleine stehe: "Es wird ganz heftig, gerade auch in den Weltläden im Ostteil unserer Republik."
Der Klimaschutzverein LOK erzählte von zugeklebten Schlössern. Christine Greve brachte es auf den Punkt: "Ich war sehr glücklich, dass ich wusste, ich bin nicht alleine."
Thomas Fiehler (GIA, Gesellschaft für Integration und Arbeit) erinnerte an die historischen Erfahrungen mit rechtsextremen Parteien in Deutschland, die Menschen mit Behinderungen an den Rand der Gesellschaft gedrängt hätten.
Konkrete Zukunftspläne
Für die Zukunft wurden konkrete Ideen entwickelt: eine Veranstaltung mit dem hessischen Verfassungsschutz zum Thema Extremismus, T-Shirts für das Bündnis und regelmäßige Präsenz in der Vorstadt. Claudia von Eisenhart-Rothe verkündete eine gute Nachricht: "Die Stadt hat gerade die Genehmigung erteilt, also wir können ab diesem Samstag dann wieder jeden Samstag mit dem Bündnis in der Vorstadt stehen."
Ein Fazit für die Windrose
Als Windrose nehmen wir aus diesem Abend vor allem mit: Wir sind nicht allein. In Oberursel gibt es ein breites Bündnis von Menschen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen. Auch wenn es unterschiedliche Meinungen gibt – der gemeinsame Kern ist stark.
Genau diesen Zusammenhalt brauchen wir für unsere tägliche Arbeit mit Geflüchteten. Denn wir sehen, was oft übersehen wird: den einzelnen Menschen mit seinen Hoffnungen, Träumen und Nöten. Wir laden alle ein, sich weiterhin im Bündnis zu engagieren – ganz nach dem Motto "Mitmachen statt spalten".
Wer mehr erfahren möchte oder mitmachen will: Kommt vorbei in der Windrose oder sprecht uns beim nächsten Bündnis-Stand in der Vorstadt an. Gemeinsam sind wir stark!
Die Mitglieder des Bündnisses für Demokratie und Menschenwürde in Oberursel
ADFC, Amnesty international, Ev. Auferstehungskirchengemeinde, Arbeiterwohlfahrt Oberursel, BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN, BUND, Caritas Taunus, CDU, DGB Oberursel/HTK, Die Linke, Eine Welt Verein, Europa-Union, Friedensbündnis Oberursel, GIA-Taunus, Klimaliste, Ev. Kreuzkirchengemeinde, Kunstgriff, Lokale Klimainitiative LOK, Ev. Gemeinde Oberstedten, OBG Freie Wähler, Omas gegen rechts, Schutzgemeinschaft Deutscher Wald SDW, SDW, SPD, Kath. Pfarrei St. Ursula, Trägerverein Kulturzentrum Altstadt, ULO, Ev. Versöhnungsgemeinde, Weltladen Oberursel, Windrose